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„Wolle nur, was du kannst, dann kannst du, was du willst.“, rät der Dichter, in diesem Fall Friedrich Rückert. Wer nichts kann, hat also auch nichts zu wollen.
„Ladies first“ ist auch in der Politik eine noble Regel. Allemal nobler als „America first“. Darum wollen viele Parteien mehr Frauen in Führungspositionen. Manchmal auch mehr, als sie aufstellen können.
So haben die Grünen in ihre Statuten geschrieben, dass die Nummer Eins ihrer Landeslisten immer eine Frau zu sein hat. Und natürlich die Nummern 3, 5, 7 usw. Ein Mann kann nur Nr. 1 werden, wenn entweder keine Frau kandidiert oder eine Kandidatin keine Mehrheit bekommt.
Im Saarland wollte die Landesvorsitzende Tina Schöpfer die Liste anführen. Das Wahlvolk wollte aber nicht und ließ seine Vorsitzende erstmal nachsitzen. Als sie auch nach dem dritten Wahlgang noch keine Mehrheit hatte, war klar: Schöpfer hat sich erschöpft, es muss jemand anders werden. Also stellte sich ihr Vorgänger Hubert Ulrich zur Wahl.
Und siehe da:
Er wurde auf Anhieb gewählt. Nun ist der zwar grün und auch sonst noch vieles, nur dummerweise keine Frau. Und war, wie es hieß, auch nicht bereit, schnell noch eine zu werden. Das ärgerte auch die grüne Kanzlerkandidatin. „Wir haben uns das anders gewünscht“, ließ sie im vornehmen pluralis majestatis verlauten. Oder wie die Queen sagen würde „We are not amused.“
Was dann kam, beschreibt Baerbock als „intensive Gespräche“. Bei den Parteifreunden im Saarland ist eher von „Druck“, „Hetzjagden“, „Hass“ und „Deformation“ die Rede. Baerbocks Geschäftsführer Kellner schrieb, er könne nicht „in die Einreichung eurer Landesliste eingreifen“, wollte und tat aber genau das: Man solle doch mal genau schauen, ob es nicht irgendwelche Formfehler gäbe. Dann könne man eine neue Liste aufstellen und Ulrich dürfte still und leise abtreten.
Wollte er aber nicht!
Immerhin hat Ulrich die Grünen im Land fast 30 Jahre wie ein Provinzfürst geführt. Insider beschreiben ihn als „Panzer“, „General“ oder „Mafioso“.
Für solche Fälle haben Parteien ihre eigenen Gerichte. Das Bundesschiedsgericht der Grünen ließ also im Eilverfahren 49 Delegierte von der Wahl ausschließen, die alle aus dem Ortsverein des gewählten Ulrich kamen. Zugleich drohte die Parteispitze, den Landesvorstand kurzerhand abzusetzen, wenn die Landesliste nicht neu gewählt würde. „Die öffentliche Reaktion wäre verheerend“, wenn es am Ende keine grüne Liste gäbe.
Und siehe da:
Plötzlich gab es eine Mehrheit für eine Frau. Damit hatte der Bundesvorstand um Baerbock scheinbar, was er wollte. Die neue Liste hielt man nun für „kaum anfechtbar“, es gäbe „keine ernsthaften Zweifel“, dass die Liste durchgeht.
Gab es doch!
Die Wahlkommission für das Saarland sah darin „schwere Fehler“, die „gegen das Demokratieprinzip“ verstoßen. Und lehnte die Liste ab. Jetzt kann man im Saarland zwar AfD und NPD wählen, nicht aber die Grünen. In einem behielt die Grünen-Spitze immerhin Recht: Die öffentliche Reaktion ist verheerend.
Ein anderes Beispiel von Wollen und Können
konnte, wer wollte, gerade in der Hauptstadt beobachten. Da gibt es u. a. eine Mohrenstraße mit gleichnamigem U-Bahnhof. In Berlin und anderswo wurden einst dunkelhäutige Kinder, sogenannte „Mohren“, zu Dienern und Hauslehrern erzogen.
Heute halten viele das Wort für rassistisch, denn es bezeichnete Unfreie und Untergebene mit dunkler Hautfarbe. Um das Wort loszuwerden, müsste man aber nicht nur Shakespeare und Schiller umschreiben. Auch Namen wie Moritz, Mauritz (H&M), Maurice, Morris etc lassen sich von dem Wort ableiten.
Die Berliner Verkehrsbetriebe wollten schnell auf die Welle aufspringen und schlugen den Namen „Glinkastraße“ vor. Glinka, ein russischer Komponist, dagegen kann keiner was haben – oder?
Und ob! Glinka war Antisemit, hieß es, „judophob“ und schrieb Opern über jüdische Verschwörungen. Ging also auch nicht.
Jetzt entschied nach jahrelangem Streit der Bezirk Berlin-Mitte: Johann Wilhelm Amo sollen Straße und Bahnhof künftig heißen. Amo war selbst ein „Mohr“, brachte es aber bis zum Professor für Recht und Philosophie. An ihn sollte erinnert werden. So wollte es die Politik. Wenn sie könnte.
Nur gibt es leider immer noch das Volk und damit auch einige Anwohner, die mit dem neuen Namen nichts anfangen konnten. Entscheiden können die zwar nicht, wollten aber gehört werden. Über tausend Widersprüche gegen den neuen Namen gingen bei der Stadt ein.
Die ließ sich davon aber nicht beirren: Die Behörden beschäftigen sich schon so lange mit der Sache, da war für eine Anhörung der Anwohner einfach nie Zeit. Aber ja, die Bürger können natürlich eine andere Meinung haben. Wenn sie sich die auch leisten können! Denn der Widerspruch, hieß es jetzt, ist gebührenpflichtig. Über 740,-€ kann der Spaß kosten.
Und siehe da:
Schon gab es 700 Widersprüche weniger. Die übrigen können, wenn sie wollen, noch Klage einreichen, aber am 1.10. will die Stadt alle Schilder austauschen, und bis dahin kann beim besten Willen kein Prozess mehr zustande kommen.
Demokratie? Bürgernähe? Gewollt und nicht gekonnt.
Oder, das Dichterwort vom Anfang übersetzt in typische Berliner Herzlichkeit:
Wenn du nicht willst
oder nicht kannst,
dann kannst du mich,
was willst du überhaupt?!
2 Kommentare
fit or fun : Die Blog-Partei · 25. Juli 2022 um 19:56
[…] wusste ich, gab es immer Zug und Gegenzug, Beuger und Strecker. Man konnte hier also lernen, seinen Willen zu beugen oder ihn zu strecken. Ich entschied, dass es Zeit war, zum Strecker zu wechseln und […]
Horst & Heiko: Von Innen und Außen : Die Blog-Partei · 7. Oktober 2021 um 16:20
[…] denn gewählt?A: Ach Afghanistan, wen interessiert denn Afghanistan? Ich rede von unserem großen Wahlsieg!I: Wahlsieg, so a Schmarrn. Sie mit ihren 25,7%. Vor acht Jahren nannten Sie das gleiche Ergebnis […]