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Es gibt sie noch,

diese Orte der Pein und Mühsal, wo kalte Mechanik aller menschlichen Eitelkeit Hohn spricht, jene Tempel der Vergeblichkeit, wo Schweiß und Mühe regieren und Galeerensklaven wie balzende Puter ihre Brust aufpumpen. Es gibt sie tatsächlich noch: die Fitness-Studios.

Und nichts hat sich geändert, seit diese Plage in den 80er Jahren über das Land kam. Stallone und Schwarzenegger mögen längst im Ruhestand sein, aber hier hat sich nichts geändert. Nicht das Fabrikhallen-Design der Studios, nicht die ausladende Spiegelfront und auch nicht die Musik, eine Mischung aus Charts, R&B und dem, was einmal „das Beste von heute“ genannt wurde. Alles hier atmet den ranzigen Geist der Selbstoptimierung.

Wie es anfing


Meine Frau war auf die Idee gekommen, uns zu unserem Hochzeitstag jeweils ein „Probe-Abo“ in diesem Power- und Protein-Purgatorium zu buchen. Ich tat mein Bestes, um Schlimmstes zu verhindern. „Schatz,“ redete ich auf sie ein, „das muss doch nicht sein. Ich liebe dich doch, wie du bist. Die paar Röllchen um die Hüfte machen mir gar nichts aus.“

Sie starrte mich wie versteinert an, sprang dann auf und verschwand im Badezimmer. Wenig später hörte ich tiefes Schluchzen durch die verschlossene Tür. Als sie endlich herauskam, ließ sie sich nur zu zwei Sätzen herab: „Die Einführung ist morgen um 10. Wird dir guttun.“

Mir war natürlich klar, dass das Wort „Einführung“ in keiner Hinsicht etwas Angenehmes bedeuten kann, schon gar nicht wenn es um meinen Körper geht. Trotzdem stand ich am folgenden Tag pünktlich mir ihr vor dem Schalter.

Eine Frage der Hose


Rene, unser Trainer, sah vom kurzgeschorenen Kopf bis zum trendigen Sneaker aus wie Mavericks schwuler Flugbegleiter. Er trug hautenge Sportkleidung und ein stupides Dauergrinsen, das meine Frau später „spitzbübisch“ nannte. Bis er mich sah.

„In Jeeeans!“, stieß er hervor. „Tut mir furchtbar leid, aber in Jeans kann ich Sie nicht herein lassen.“ Ich war bereits drin. „Damit waren Sie ja draußen schon überall.“ Ich wies darauf hin, dass das auch für die Hose meiner Frau gelte. Außerdem war ich im Besitz eines Handtuchs.

„Nein, aber in Jeeeeans“ (ich lasse der Kürze halber die Hälfte seiner Es weg) „also tut mir leid, aber das geht leider gar nicht. Verletzungsgefahr!“ „Junge“, knurrte ich, „jemand von uns begibt sich grade in allerhöchste Verletzungsgefahr. Und ich bin´s nicht.“

Natürlich sagte ich das nicht. Dafür mischte sich jetzt meine Frau ein. „Nimm doch einfach meine!“, schlug sie allen Ernstes vor. „Müsste dir ungefähr passen. Und ich hab´ ja eine Turnhose dabei.“ Ich überhörte die Betonung des Wortes „ich“ und erklärte ihr stattdessen klipp und klar, dass ein Mann wie ich niemals, unter keinen Umständen, nicht einmal zum CSD, eine Frauenhose tragen würde.

Fünfzehn Minuten später standen wir vor den Geräten. Die Hose saß erstaunlich gut, das fand auch meine Frau. „Was so ein Gummiband alles aushält.“

Die Geräte waren schnell erklärt. Um im Rhythmus zu bleiben, sollten wir mit unseren Bewegungen einer Wellenlinie auf dem Bildschirm folgen. In der Welle gab es goldene Punkte, die man traf, wenn man genau mit der Welle zog und losließ. Eine Art sportliches Moorhuhnschießen.

Ich traf auf Anhieb fast 100%. Dann nahm ich mir vor, nur noch jeden fünften, zehnten oder zwanzigsten Goldpunkt zu treffen. Das verringerte den Kraftaufwand und sorgte für Abwechslung. Damit und mit einem paar Ohrenstöpsel ließ sich das Fitness-Training eine Zeitlang ertragen.

„Arbeite an deiner Haltung. Und zwar im Kopf.“,

stand großflächig auf einem Poster an der Wand. Ich verscheuchte den spontanen Gedanken an George Orwell und sah mir meine Mit-Arbeiter genauer an. Das war es also, was in ihren Köpfen vorging. Während sie scheinbar Gewichte stemmten, im Laufrad auf der Stelle traten oder im Trockenen ruderten, arbeiteten sie in Wahrheit an ihrer Haltung. Und zwar im Kopf. Alle Achtung!

Aber seltsam: wenn ich sie hinterher in der Umkleide traf, waren sie ständig dabei, gewisse Körperteile zu vergleichen. Und es war nie ihr Kopf.

„Wille ist ein Muskel. Trainiere ihn.“,

so ein weiterer Spruch an der Hallenwand. Und bei Muskeln, soviel wusste ich, gab es immer Zug und Gegenzug, Beuger und Strecker. Man konnte hier also lernen, seinen Willen zu beugen oder ihn zu strecken. Ich entschied, dass es Zeit war, zum Strecker zu wechseln und kündigte mein Probeabo sofort.

Wenn meine Frau mir heute einen verächtlichen Blick zuwirft, ehe sie „zu Rene“ geht, bleibe ich ungebeugt auf dem Sofa, nehme mir ein gutes Buch vor und arbeite an meiner Haltung. Und zwar im Kopf.


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